Gesundheitsvorsorge bei Schulkindern

Februar 1954
Dr. med. homöop. Heinrich Will (1891-1971)

Seit wir wissen, dass das Seelenleben von allergrößtem Einfluss auf Gesundheit und Krankheit des Körpers ist, sodass der Altmeister der Inneren Medizin, Prof. von Bergmann, sich „keine Krankheit ohne Beteiligung der Seele denken“ kann, gewinnen alle Seelenschäden des schulpflichtigen Alters zunehmende Bedeutung, weil hier häufig die ersten Ursachen für Körperkrankheiten auch des späteren Alters geschaffen werden. Diejenige Seelenkrankheit, die am verderblichsten auf die ganze Körperkonstitution wirkt, ist die Angst. Das sichtbarste äußere Zeichen der tiefen Beeinflussung aller Körperfunktionen durch die Angst, ist das „Erblassen vor Angst“. Das bedeutet, dass sich im Zustand der Angst die Blutgefäße derart zusammenkrampfen, dass das Blut nicht mehr zirkulieren kann. Sobald aber die Körpergewebe nicht mehr mit dem sauerstoffreichen Blut versorgt werden, unterbleibt die Verbrennung der giftigen Stoffwechselprodukte, diese nehmen überhand und setzen sich in den schwächsten Organen fest, wo sie zu Entzündungen jeder Art führen können. Darüber hinaus erstreckt sich der Gefäßkrampf bis zum Herzen und wird zur Ursache zahlreicher Herzkrankheiten.

Wer einmal eine richtige Angst durchgestanden hat, hat das Klopfen, den Schmerz, das Stillstandsgefühl am Herzen peinvoll erlebt. Die chronische Angst braucht entsprechend längere Zeit bis zur Ausbildung von Körperkrankheiten, diese sind dafür aber desto heimtückischer und schwerer. Die Kenntnisse von der Angst als Krankheitsursache sind zwar neu, aber von der Medizin so oft bestätigt und durch die Presse derart verbreitet, dass sie in weiteste Volkskreise eingedrungen sind. Umso erstaunlicher ist es, dass gewisse Schulreformer immer noch am Werke sind, die Angst in die Seelen der Schuljugend einzugraben und dadurch Krankheit auf weitestem Felde auszusäen, besonders Herzleiden, die heute an der Spitze aller Todesursachen stehen. Es handelt sich um die Prüfungs-Fanatiker, die in nie gekannter Weise die Schüler, und zwar gerade die jüngeren mit den zarten und anfälligen Seelen, von einer Prüfung in die andere zu hetzen. Die Angst vor den Prüfungen, die Drohung mit der Schwere und Strenge derselben, die Vorwegnahme des Ergebnisses, indem ein bestimmter Prozentsatz durchfallen muss wegen Platzmangel in der nächsten Klasse, – diese Ängste quälen monatelang die Schülerseelen, und nicht weniger die Eltern; denn diese sehen die Zukunft ihres Kindes abhängig von dem Ergebnis einer Prüfung, die aus bekannten mehrseitigen Gründen den Charakter des Zufalls hat. Zeitlebens bleibt die Prüfungsangst in der Seele vieler Schüler haften und geht als allgemeine Ängstlichkeit in den Charakter über. Nicht nur viele entzündliche Krankheiten des Schulalters werden hierdurch verursacht, sondern Gefäß- und Herzkrämpfe werden zeitlebens aufs Neue hervorgerufen, wenn in Erinnerung und Traum die Prüfungsangst aufs Neue erlebt wird. Regierungen und Parlamente wünschen vorbeugende Gesundheitspflege. Hier, bei der Krankmachung der Schülerseelen, muss der Anfang gemacht werden!

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